Abstract [de]: Der Markt der konfessionellen Krankenhäuser ist selbst für Experten schwer zu druchdringen. Jetzt ist eine Dissertation erschienen, die ihn unter die Luppe nimmt, mit zum Teil überraschenden Erkenntnissen. Katholische Krankenhäuser sind produktiver als evangelische, und Krankenhausverbünde sind per se nicht wirtschaftlicher als einzelne Einrichtungen.

Katholiken sind die besseren Manager

Juni 2011

Katholiken sind die besseren Manager – Interview mit Dr. Philipp Schwegel in Kma Das Gesundheitswirtschaftsmagazin 16. Jg, April 2011, S. 28-31.

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Was war Ihr Motiv, eine Dissertation über kirchliche Krankenhäuser zu schreiben? Zumal die Datenbasis eine komplizierte ist, da Zahlen über kirchliche Häuser schwierig zu ermitteln sind.

Ihre Frage impliziert schon meine Antwort. Genau das habe ich auch festgestellt, als ich angefangen habe, mich mit kirchlichen Krankenhäusern zu beschäftigen. Die Datenlage gleicht einer Blackbox: So etwas reizt einen Forscher besonders – auch weil es relativ wenig Forschungsarbeiten aus den ökonomischen Disziplinen dazu gab. Insofern war das der Startpunkt, das ganze einmal strukturiert anhand eines industrieökonomischen Rahmens zu analysieren.

Schaffen es kirchliche Häuser heutzutage, ihren theologischen Anspruch in einem zunehmend wettbewerbsintensiven Umfeld umzusetzen? Oder vereinfacht ausgedrückt: Kann Menschlichkeit hochproduktiv erbracht werden?

Menschlichkeit und Christlichkeit sind die Wurzeln der kirchlichen Krankenhäuser, aus denen heraus sie agieren. Und sie treten immer wieder den Versuch an, dieses Ziel umzusetzen und zu erreichen. Ich glaube, das ist das Höchste, was man erwarten kann, dass dieser Versuch immer wieder angetreten und nicht aufgegeben wird.

Sicherlich wird es immer schwieriger, dies umzusetzen.  Ich bin aber der Meinung – wie ich die kirchlichen wahrnehme – dass es ihnen trotz der widrigen Umstände relativ gut gelingt, ihre Wahrnehmung im Markt gut zu positionieren.

Unter den konfessionellen Einrichtungen behaupten sich die katholischen besonders gut. Sie erwirtschaften 1,6 Prozent Ist-Rendite gegenüber 0,2 Prozent der evangelischen Häuser. Was machen sie besser?

Dies ist in der Tat ein Ergebnis meiner Arbeit auf Grundlage der Datenbasis, die ich analysiert habe. Und es ist eindeutig: Die katholischen Krankenhäuser erzielen eine bessere Produktivität. Einen Grund dafür sehe ich in der zentralen Steuerung der katholischen Krankenhäuser. Da schon viel früher GmbHs eingeführt wurden, könnte man den Rückschluss anstellen, dass sie vielleicht professioneller gemanagt werden. Ein zweiter Grund ist in den niedrigeren Kosten je Casemixpunkt zu sehen.

Sie widerlegen in Ihrer Dissertation einen Trend: Verbundbildung führt nicht zwingend zu einer höheren Rendite. Bei den von Ihnen untersuchten Häusern sind es gerade die Einzeleinrichtungen, die im Schnitt eine höhere Rendite erwirtschaften? Wie erklären Sie sich dieses Ergebnis?

Das ist in der Tat ein interessantes Phänomen. Das hat mich selbst überrascht. Es gibt Anhaltspunkte, wo ich sagen muss, dass die Einzelhäuser in der Produktivität und bei der Verwendung ihrer  Sachmittel produktiver sind als Verbundhäuser. Ich kann mir das im Moment nur damit erklären, dass es ein momentanes Phänomen ist. Also die positiven Synergieeffekte, die mit einer Verbundstruktur verbunden sind, bisher noch nicht realisiert werden konnten.

Ich denke, es ist eine Übergangsphase. Wenn man die Untersuchung in zwei, drei Jahren weiterentwickeln würde, würden die Verbundhäuser auch eine bessere Zahl zeigen, als die Einzelhäuser.

Wie groß ist der Anteil der Verbundkrankenhäuser unter den kirchlichen Einrichtungen?

Anders formuliert: Wie hoch ist der Anteil der Einzelhäuser? Dieser Anteil liegt bei etwa 30 Prozent. Alle anderen sind in Verbünden. Und das sind Verbünde mit zwei und mehr Häusern. 25 Prozent der Häuser sind in Verbünden mit mehr als fünf Häusern.

Trotz Ihrer Ergebnisse zur Verbundbildung prognostizieren sie weitere Zusammenschlüsse. Wir wird sich der freigemeinnützige Krankenhausmarkt in Zukunft entwickeln? Ist davon auszugehen, dass Krankenhäuser vom Netz gehen, oder werden diese in den Verbünden aufgefangen?

Ich würde die Aussage jetzt nur auf die kirchlichen Krankenhäuser beschränken. Die freigemeinnützigen wie die  beispielsweise AWO oder Rot-Kreuz-Krankenhäuser habe ich nicht näher betrachtet. Eine Deinvestitionsstrategie, also das Abstoßen von Krankenhäusern, wurde lediglich von zwei Prozent der befragten Häuser als Option wahrgenommen. Offenkundig ist dies für die Häuser nicht wirklich eine Perspektive. Der Kauf der Rummelsberger Kliniken durch die Sana Kliniken AG war eher die rühmliche Ausnahme. Ich erkenne da keinen Trend. Mein Eindruck ist: Die kirchlichen Strukturen sind wie ein Netz, wo versucht wird, jedes kirchliche Haus zu erhalten und aufzufangen, zum Beispiel durch Umstrukturierung des Leistungsangebotes oder durch Kooperationen im innerkirchlichen Bereich.

Ein weiteres überraschendes Ergebnis hat Ihre Dissertation zutage gefördert. Gerade einmal ein Prozent der gesamten Beschäftigtenzahl wird durch Zivildienstleistende gedeckt. In der (Fach-)öffentlichkeit existiert eine andere Wahrnehmung. Hat Sie diese Zahl auch überrascht?

Ich kam auch aus dieser Öffentlichkeit, war selbst Zivildienstleistender. Ich dachte auch immer, ohne Zivildienstleistende bricht das System zusammen. Ich habe das dann mal ausgerechnet auf Vollkräfte – das ist vielleicht eine leichte Verzerrung. Aber die Arbeit der Zivis macht gerade einmal ein Prozent der Beschäftigten aus. Das gleiche gilt für das ehrenamtliche Engagement. Es wird ja immer gesagt, wie wichtig das ist – und es ist ja auch wichtig -, aber wenn man sich das mal genauer anguckt,  macht das nicht so viel aus, wenn es um Produktivitätseffekte geht.

Bei den Ehrenamtlichen gibt es allerdings deutliche Differenzen zwischen katholischen und evangelischen Häusern. Das ist darauf zurückzuführen, dass die evangelische Ehrenamtlichenhilfe wahrscheinlich professioneller organisiert ist als die katholische.

Bei der medizinischen Leistungserbringung sind Sie auf folgenden Zusammenhang gestoßen. Je autonomer ein Haus von der verfassten Kirche ist, desto eher erfüllt es die BQS-Vorgaben zur Qualitätssicherung. Als Beispiele führen Sie die Geburtshilfe an. Würden Sie diesen Zusammenhang auch bei anderen BQS-Indikatoren herstellen?

Das ist ganz schwierig. Dieser Unterschied zeigt sich besonders bei der Geburtshilfe. In anderen Bereichen war er nicht feststellbar. Es zeigt sich aber, dass die BQS Vorgaben nicht von allen kirchlichen Häusern erfüllt werden. Teilweise erreichen durchschnittlich nur 41% der Häuser diese Vorgaben.

Sie haben in Ihrer Arbeit die wirtschaftliche Performance kirchlicher Krankenhäuser in der Abhängigkeit von der verfassten Kirche untersucht. Kann man – stark vereinfacht ausgedrückt – sagen, je unabhängiger die Häuser von der Kirchenhierarchie sind, umso erfolgreicher?

Das war die Intention, mit der ich diese Arbeit begonnen habe. Man kann’s so aber letztlich  nicht fassen. Es gibt Anzeichen bei der Produktentwicklung beispielsweise, wo es gerade Einrichtungen mit einer hohen Autonomie gegenüber der verfassten Kirche sind, die sich als besonders innovativ erweisen. Und bei anderen Indikatoren war es dann genau anders herum. Da gibt’ kein homogenes Bild nach dem Motto: Je autonomer ein Haus agieren kann, umso besser ist die Qualität.

Wie hoch schätzen Sie den Wettbewerbsvorteil kirchlicher Häuser gegenüber privaten und kommunalen ein? Beispielsweise durch abgabenrechtliche Privilegien, ein spezielles Individual- und Kollektivarbeitsrecht. (Spenden, Steuervergünstigungen, Befreiung von der Umsatzsteuer) und den besonderen Finanzierungsstrukturen im kirchlichen Krankenhausmarkt.

Ich würde da, ehrlich gesagt, nicht von einem Vorteil sprechen. Ich würde eher sagen, dass das Individualarbeitsrecht ein Korsett ist, was zukünftig, auch wenn man den Fachkräftemangel vor Augen hat, dazu führen wird, dass die Kirchlichen es noch deutlich schwerer haben werden, an Fachkräfte zu kommen. Beispielsweise bei der Besetzung von Führungspositionen, wo ja auch immer eine gewisse Identifikation mit den kirchlichen Werten verlangt wird. All das wird schwieriger werden in einer säkularen Welt.

Man kann die Vermutung aufstellen, dadurch, dass sie Spenden generieren können, sind sie im Vorteil. Auf dem Papier ist das so. Eigentlich spielt das jedoch im Krankenhausbereich keine Rolle.  Hier tut sich für die kirchlichen Häuser noch ein echtes Betätigungsfeld auf zusätzliche Einnahmequellen zu generieren.

Bei den Sachkosten je Casemixpunkt sowie auch bei den Personalkosten je Fachkraft kommen die kleinen Krankenhäuser besser weg. Dies ist erstaunlich zumindest bei den Sachkosten würde man höhere Kosten vermuten, weil größere Häuser Rabatte und weitere Einkaufsvergünstigungen besser realisieren können.

Das war auch so eine Überraschung. Ich habe immer gedacht, dass die großen Krankenhäuser mit mehr als 500 Betten durch Synergieeeffkte mehr Vorteile generieren können als die mittleren Krankenhäuser. Das zeigen die Zahlen aber nicht. Die Zahlen zeigen, dass die kleineren Krankenhäuser auch bei der Produktivität der Sachkosten bessere Werte erzielen.  Woran es letztlich liegt, kann ich so adhoc nicht interpretieren. Da bräuchte man weitere Forschungen. Ein Punkt kann sicherlich sein, dass die großen Krankenhäuser einfach zusätzliche Erlöse erbringen, die über so eine Kennzahl, Sachkosten pro Casemixpunkt, nicht abgebildet werden.

Wie gestaltete sich die Zusammenarbeit zwischen den kirchlichen Krankenhäusern und Ihnen, als Sie die Arbeit recherchiert haben?

Ich muss sagen – das sehen Sie auch bei den Befragungen – ich habe 400 Krankenhäuser angeschrieben und hatte einen Rücklauf von 100 beantworteten Fragebögen. Ich war damit sehr zufrieden.

Dann sind die Kirchen doch nicht so verschlossen, wie immer gemutmaßt wird?

Na ja, nun bin ich auch als Wissenschaftler an sie herangetreten. Insgesamt bin ich  mit der Zusammenarbeit sehr zufrieden gewesen. Allerdings gibt es auch Grenzen; die kirchlichen Strukturen beispielsweise. Wer mit wem im Aufsichtsrat sitzt, das ist undurchsichtig. Oder etwa: Welche Rolle spielt das Bistum? Da geht’s es viel um persönliche Beziehungen, da kommt man auch mit so einer Arbeit nicht hinein.

Interview: Ingrid Mühlnikel

 

 

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Posted by Philipp Schwegel; Ingrid Mühlnikel

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