Abstrakt [de]: Die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft machen auch vor den Einrichtungen der Ordensgemeinschaften nicht halt. Der steigende wirtschaftliche Druck hält die Einrichtungen an, professionelle und nachhaltige Managementstrukturen und -instrumente zu etablieren. Dies erfolgt häufig durch die Gründung von Kapitalgesellschaften, die eine Trennung von Geschäftsführung und Gesellschaftern vorsehen. Darüber hinaus wird dadurch auch das Ordensvermögen geschützt. Sollte die Leistungserbringung der Einrichtungen zu Defiziten führen, müssen diese nicht zwingend von den Gesellschaftern übernommen werden. Damit sind zumindest die Ordensvermögen sowie die Altersbezüge der Ordensmitglieder von dem Risiko eines Missmanagements gesichert.

 

Wachstumsstrategien von Ordensgemeinschaften als Träger sozialer Einrichtungen – Empirische Befunde aus dem Krankenhausmarkt

Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Fachzeitschrift Ordens Korrespondenz – Zeitschrift für Fragen des Ordenslebens

Juni 2011

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  1. Der wirtschaftliche Druck wächst weiter

Die aktuellen Entwicklungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft machen auch vor den Einrichtungen der Ordensgemeinschaften nicht halt. Der steigende wirtschaftliche Druck hält die Einrichtungen an, professionelle und nachhaltige Managementstrukturen und -instrumente zu etablieren. Dies erfolgt häufig durch die Gründung von Kapitalgesellschaften, die eine Trennung von Geschäftsführung und Gesellschaftern vorsehen. Darüber hinaus wird dadurch auch das Ordensvermögen geschützt. Sollte die Leistungserbringung der Einrichtungen zu Defiziten führen, müssen diese nicht zwingend von den Gesellschaftern übernommen werden. Damit sind zumindest die Ordensvermögen sowie die Altersbezüge der Ordensmitglieder von dem Risiko eines Missmanagements gesichert. Bei näherer Betrachtung der Ordensgemeinschaften, die als Träger von Krankenhäusern auftreten, zeigt sich, dass derzeit 75 % der Ordenskrankenhäuser in der Rechtsform der GmbH geführt werden. Lediglich 25 % werden noch in Form der Stiftung, des Vereins oder der Körperschaft des öffentlichen Rechts betrieben.[1]

Unabhängig von der Rechtsform stellt sich für jede Ordensgemeinschaft die Frage nach der strategischen Ausrichtung. Das gilt umso mehr, als viele Ordensgemeinschaften ihr Management weitgehend autark handeln lassen und ihre Einflussnahme auf die Aufsichtsgremien beschränken. Daneben existiert aber auch eine Vielzahl an Ordensgemeinschaften, die eigene Vertreter in die Geschäftsführung entsenden oder sich im Rahmen der Krankenpflege selbst engagieren. Als Beispiel sei hier auf das „Klinikum Dritter Orden“ in Trägerschaft der Schwesternschaft der Krankenfürsorge des Dritten Ordens München oder die Barmherzigen Brüder in Trier verwiesen. In diesen Fällen gestalten die Ordensvertreter die strategische Ausrichtung der Krankenhäuser direkt und aktiv mit.

Hier setzt der nachfolgende Beitrag an, indem er die Frage nach einer sinnvollen strategischen Ausrichtung von Ordenskrankenhäusern aufwirft.[2] Hierfür werden grundsätzliche strategische Optionen diskutiert und deren Anwendung in der Ordenspraxis erörtert. Für die Beantwortung der aufgeworfenen Fragen wird dabei auf die Auswertung von 37 Fragebögen aus dem Jahr 2009 zurückgegriffen.[3]

 

 

  1. Ordenskrankenhäuser in Deutschland – ein Überblick

Der deutsche Krankenhausmarkt umfasst insgesamt rund 2.087 Krankenhäuser.[4] Davon befinden sich 243 Krankenhäuser (11,6 %) in der Trägerschaft von Ordensgemeinschaften. Diese verteilen sich wiederum zu 77 % auf katholische Orden und zu 23 % auf evangelische Diakonissen-, Schwestern- und Bruderschaften, die den Ordensgemeinschaften zugerechnet werden.

Zur Erörterung der strategischen Ausrichtungen der Ordenskrankenhäuser ist es notwendig, einige ausgewählte Marktstrukturen darzulegen. Dies erfolgt vor dem Hintergrund der Annahme, dass die strukturellen Merkmale von Ordenskrankenhäusern Einfluss auf das strategische Verhalten haben. Ein prägendes Strukturmerkmal ist dabei die Verbundgröße. Im Durchschnitt betreiben die Ordensgemeinschaften 4 Krankenhäuser, was deutlich über dem Marktdurchschnitt kirchlicher Krankenhausträger (2 Krankenhäuser) je Verbund liegt. Diese sicherlich auch historisch bedingte Entwicklung verdeutlicht, dass die Ordensgemeinschaften auf große Strukturen setzen, innerhalb derer sie Wettbewerbsvorteile generieren können. Zwischen den Krankenhäusern, ebenso wie im Zusammenspiel mit den anderen Einrichtungen im Ordensverbund, können Synergien realisiert werden. In aufeinander abgestimmten Versorgungsprozessen u. a. zwischen Krankenhaus, Rehaeinrichtung, Pflegeheim, Medizinischem Versorgungszentrum und Sozialstation entsteht damit eine umfassende Patientenversorgung, die die Gesundheitswertschöpfungskette weitestgehend abdeckt. Dieser Ansatz eines „Vollversorgers“ zeigt sich auch an der hohen Anzahl an Wirtschaftszweigen, in denen Ordensgemeinschaften als Träger tätig sind. Im Durchschnitt betreiben Ordensgemeinschaften Einrichtungen in 7 verschiedenen Wirtschaftszweigen. Hierzu zählen u.a. die Bereiche Gesundheitswesen, Heime, Sozialwesen, Erziehung und Unterricht sowie Beherbergung. Aufgrund dieser Vielfalt steht bei manchen Ordensgemeinschaften der Krankenhausbereich nicht im Mittelpunkt der Tätigkeit. Die Spezialisierung liegt dann z. B. auf dem Betrieb von Pflegeeinrichtungen. Die Beispiele des Deutschen Ordens oder der Rummelsberger Anstalten zeigen, dass man sich hier sogar bewusst von den Krankenhäusern getrennt hat.

 

 

  1. Grundsätzliche strategische Optionen von Ordenskrankenhäusern

Hinter der Entscheidung, sich von einem Geschäftsbereich zu trennen, steht häufig eine Strategie auf Unternehmensebene, die ein langfristiges Ziel verfolgt.[5]Der Harvard-Ökonom Michael E. Porter versteht darunter das Verhalten des Unternehmens, sich bewusst vom Wettbewerb abzuheben, um damit seinen Kunden einen einzigartigen Wert anbieten zu können.[6]Dieser Anspruch lässt sich für Ordenskrankenhäuser grundsätzlich in Form der Wachstums-, Stabilisierungs- oder Defensivstrategie verwirklichen. Innerhalb der Wachstumsstrategie können dabei zwei Perspektiven eingenommen werden. Wird das Wachstum aus der Sichtweise der Wertschöpfungskette betrachtet, können die Ordenskrankenhäuser u. a. produkt- oder patientenorientierte Leistungsbereiche integrieren. Betrachtet man die Wachstumsstrategie aus einer Geschäftsfeldperspektive, kann das Ordenskrankenhaus seine Krankenhausleistung weiterentwickeln sowie neue Märkte erschließen. Hierbei spricht man von Intensivierungs- und Diversifikationsstrategien.

Die nachfolgende Abbildung gibt einen Überblick über die grundsätzlichen strategischen Ausrichtungen mit dem Fokus auf die Wachstumsstrategien, die nachfolgend erörtert werden.

Ordensgemeinschaften

Abbildung 1: Strategische Optionen von Ordenskrankenhäusern. Quelle: Eigene Darstellung.

 

 

3.1 Wachstumsstrategie

Die Wachstumsstrategie zielt sowohl auf internes als auch auf externes Wachstum ab und zeichnet sich durch den steten Drang des Ordenskrankenhauses oder des Verbundes aus, u. a. neue Leistungen zu etablieren, Fallzahlen zu steigern oder Krankenhäuser zu erwerben. Diese Strategieform ist sehr verbreitet. So verfolgen 71,8 % der Krankenhäuser (28 Krankenhäuser) diesen Strategietyp.

Diese allgemeine Beschreibung der Wachstumsstrategie findet ihrer Konkretisierung in Form von Integration, Intensivierung und Diversifikation.

Die Integrationsstrategien orientieren sich an der Wertschöpfungskette. Im Mittelpunkt für diesen Beitrag stehen insbesondere die vorgelagerten Wertschöpfungsstufen,[7]die die notwendigen Produkte und Dienstleistungen zur Erbringung der Krankenhausleistung bereitstellen. Zum Bereich der Produkte zählen u. a. Blutpräparate, Medikamente oder Medizinprodukte, die von Zulieferern bereitgestellt werden. Die Integration dieser Bereiche kann daher z. B. bedeuten, dass das Krankenhaus eigene Medikamente herstellt, die Aufbereitung von Blutkonserven übernimmt oder eigene Medizinprodukte entwickelt.[8]Diese produktorientierte Integrationsstrategie wird von nur 29 % der Ordenskrankenhäuser verfolgt. Dies deutet darauf hin, dass es sich hierbei um einen für die Praxis wenig relevanten Strategietyp handelt.

Neben der Bereitstellung von Produkten bedarf es zur Erbringung der Krankenhausleistung auch der Zuweisung des Patienten. Eine Integrationsstrategie in diesem Bereich bedeutet, dass das Krankenhaus den Patienten frühzeitig in seine Versorgungskette aufnimmt. Diese patientenorientierte Integration kann z. B. durch die Übernahme von Kassensitzen niedergelassener Ärzte, die Beteiligung an MVZs, die Gründung von Teleportal-Kliniken oder die Etablierung von Rettungs- und Transportdiensten erfolgen.[9]Im Sinne der Gesundheitswertschöpfungskette handelt es sich hierbei um die Integration von ambulanten Leistungserbringern. Im Markt der Ordenskrankenhäuser wird diese patientenorientierte Integrationsstrategie von 86 % der Befragten verfolgt und stellt damit eine weit verbreitete Form des Wachstums dar. Nur ein relativ geringer Anteil (14 %) misst diesem Strategietyp eine untergeordnete Rolle zu.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Bedeutung der Integrationsstrategien für Ordenskrankenhäuser.

Ordensgemeinschaften

Abbildung 2: Empirische Ergebnisse zur Integrationsstrategie. Quelle: Eigene Darstellung.

 

In Abgrenzung zu den Integrationsstrategien fokussieren die Intensivierungsstrategien eine Kombination aus Krankenhausleistung und Märkten, woraus sich die strategischen Optionen der Marktdurchdringung, Marktentwicklung und Leistungsentwicklung ableiten lassen. Die Marktdurchdringung als strategische Option für Krankenhäuser bedeutet, dass sie unter Zuhilfenahme der Preis-, Produkt-, Distributions-, Kommunikations-, Personal-, Ausstattungs- und Prozesspolitik auf Basis des bestehenden Leistungsangebotes den Marktanteil ausbauen. Dies kann beispielsweise durch die Beschäftigung eines Chefarztes mit hohem Bekanntheitsgrad oder die Intensivierung der Beziehung mit zuweisenden Ärzten geschehen.[10]Diese Beispiele verdeutlichen, dass es sich bei der Marktdurchdringung um eine naheliegende Wachstumsstrategie handelt, da sie auf bestehende Ressourcen zurückgreifen kann. Dies zeigt sich auch bei den Befragungsergebnissen: 100 % der Ordenskrankenhäuser verfolgen diesen Strategietyp.

Bei der Marktentwicklung handelt es sich insbesondere um eine geographische Wachstumsstrategie von Krankenhäusern, bei der das Wachstum durch die Erschließung neuer regionaler Märkte stattfinden kann. Diese Art des Wachstums erfolgt durch die Übernahme von Krankenhäusern, die häufig im innerkirchlichen Bereich stattfindet. Beispielhaft sei hier auf die Übernahme des St. Barbara-Krankenhauses Schwandorf der Niederbronner Schwestern durch die Barmherzigen Brüder verwiesen. Darüber hinaus bedeutet Marktentwicklung auch, dass bestehende Krankenhausleistungen, wie z. B. Präventionsmaßnahmen, neuen Kundengruppen angeboten werden. Hierzu können beispielsweise Selbstzahler oder Firmenkunden zählen. Die Ergebnisse der Befragung unterstreichen dies; 82 % der Ordenskrankenhäuser verfolgen diesen Strategietyp.

In Abgrenzung hierzu verfolgt die Leistungsentwicklung das strategische Ziel, die bestehenden Krankenhausleistungen zu verbessern und weiterzuentwickeln, so dass dadurch zusätzliche Erlöse und Auslastungseffekte erreicht werden können.[11]Im Kontext der Ordenskrankenhäuser kann eine solche Leistungsentwicklungsstrategie durch die Etablierung neuer medizinischer Leistungen erfolgen. Hierzu zählt beispielsweise die Etablierung eines Herzkathetermessplatzes für die Kardiologie oder die Einführung von strukturierten Behandlungspfaden, die eine besonders hohe Prozess- und Ergebnisqualität sicherstellen.[12]Ähnlich wie auch die Marktentwicklung stellt die Strategie zur Leistungsentwicklung eine der entscheidenden Formen zur Zukunftssicherung dar. Die Befragungsergebnisse verdeutlichen dies. Hier sind es 93 % der Ordenskrankenhäuser, die ihre Wachstumsoptionen durch die Weiterentwicklung ihres Dienstleistungsspektrums realisieren. Die nachfolgende Abbildung zeigt die Bedeutung der Intensivierungsstrategien für Ordenskrankenhäuser.

Ordensgemeinschaften

Abbildung 3: Empirische Ergebnisse zur Intensivierungsstrategie. Quelle: Eigene Darstellung.

 

Die Diversifikation bezieht sich, wie die Intensivierungsstrategien auch, auf Kombinationen aus Krankenhausleistungen und Märkten. Hierbei existieren drei grundsätzliche Formen: konzentrische, horizontale und konglomerate Diversifikation. Diesen strategischen Typen ist gemein, dass der Verwandtschaftsgrad der Dienstleistungen sowie der Verwandtschaftsgrad der Märkte einen entscheidenden Einfluss auf deren Einordnung haben. Dabei wird zwischen verwandten und nicht verwandten Dienstleistungen und Märkten unterschieden.[13]Im Krankenhauskontext können unter verwandten Dienstleistungen u. a. die Gründung von neuen Fachabteilungen, z. B. Palliativstation, verstanden werden. Zur Diversifizierung in verwandte Märkte zählt u. a. der Reha- oder Pflegemarkt.[14]

Bezogen auf die konzentrische Diversifikation von Ordenskrankenhäusern bedeutet dies, dass neue, aber verwandte Dienstleistungen und/oder Märkte erschlossen werden. Als Beispiel kann hier auf das Angebot von Zusatzleistungen, u. a. Ergotherapie, Logopädie, Wellness- und Fitnesszentren[15] oder auch die Ausdehnung entlang der Gesundheitswertschöpfungskette durch die Etablierung von Reha- oder Pflegeeinrichtungen verwiesen werden. Die Form der „Veredelung“ der Krankenhausleistung im Rahmen der konzentrischen Diversifikation wird von 61 % der Ordenskrankenhäuser verfolgt und spiegelt in Verbindung mit der Integration von produkt- und patientenorientierten Wertschöpfungsstufen das Ziel der Befragten wieder, als „Vollversorger“ auf dem Krankenhausmarkt aufzutreten.

Der Unterschied zur konzentrischen Diversifikation besteht darin, dass bei der horizontalen Diversifikation nicht-verwandte Dienstleistungen oder Märkte für bestehende Nachfrager erschlossen werden. Fred R. David führt hierzu das Beispiel amerikanischer Krankenhäusern auf, die ihre Cafeterien und Kioske zu kleinen Einkaufszentren ausbauen.[16] Hierzu kann auch gezählt werden, wenn sich Krankenhäuser in den Markt des medizinischen Handwerks, z. B. durch die Etablierung eines Optikerbetriebs oder Dentallabors, bewegen oder den Handel mit heilungsunterstützenden Produkten, z. B. mittels eines eigenen Sanitätshauses, übernehmen.[17] Mit diesen für die Krankenhäuser neuen Leistungen, werden bestehende Nachfragen bedient. Da es sich hierbei um einen sehr anspruchsvollen Strategietyp handelt, der u. a. mit dem Aufbau neuer Ressourcen verbunden ist, sind es auch nur 43 % der Ordenskrankenhäuser, die diesen Strategietyp verfolgen.

Bei der konglomeraten Diversifikation werden sowohl neue als auch nicht verwandte Dienstleistungen und Märkte adressiert als auch neue Nachfragergruppen in den Fokus genommen. Für Krankenhäuser kann dies auf die Gründung von Servicegesellschaften zutreffen, die am Markt auch für Dritte Leistungen erbringen. Auch lässt sich von konglomerater Diversifikation sprechen, wenn sich Krankenhausträger in den Bildungsbereich bewegen und dort eigene Forschungs- und Lehrinstitute gründen.[18] Dieser Strategietyp dient u. a. der Reduzierung von Unternehmensrisiken durch die Diversifikation in neue Branchen. Dies ist mit erheblichen Investitionskosten verbunden und will daher wohl überlegt sein. Im Mittelpunkt steht hierbei die Frage, inwieweit zwischen diesen unverwandten Dienstleistungen noch Synergien realisiert werden können. Da dies in der Theorie zwar häufig angeregt wird, in der Praxis aber nur selten realisierbar erscheint, verfolgen auch nur 39 % der Ordenskrankenhäuser diese Form der Wachstumsstrategie.

Die nachfolgende Abbildung zeigt die Bedeutung der Diversifikationsstrategien für Ordenskrankenhäuser.

Ordensgemeinschaften

Abbildung 4: Empirische Ergebnisse zur Diversifikationsstrategien. Quelle: Eigene Darstellung.

 

3.2 Stabilisierungsstrategie

Anknüpfend an die grundsätzlichen strategischen Ausrichtungen kirchlicher Krankenhäuser konzentrierten sich die vorangegangenen Kapitel auf die verschiedenen Formen der Wachstumsstrategie. Neben dieser weitverbreiteten Form der strategischen Ausrichtung existieren aber auch Krankenhäuser, die eine Stabilisierungsstrategie anwenden, um ihre erreichte Marktposition zu sichern. Nach Ansicht der Wirtschaftsforscher Penter und Arnold haben diese Krankenhäuser noch eine gute Wettbewerbsposition. Damit sie diese Position weiter halten können, sind sie gefordert, kurz- bis mittelfristige Optimierungsmaßnahmen durchzuführen. Die Struktur des Krankenhauses wird dabei nicht grundlegend verändert.[19]Warnebier, der selbst intensiv über die strategische Ausrichtung von Krankenhäusern geforscht hat, konstatiert, dass der Stabilisierungsstrategie am ehesten das Charakteristikum Balance zugeschrieben werden kann.[20] Die Befragungsergebnisse zeigen, dass die Stabilisierungsstrategie von 21,6 % der Ordenskrankenhäuser verfolgt wird.

 

3.3 Defensivstrategie

Die Übertragung der Defensivstrategie auf den Krankenhauskontext zeigt, dass es sich hierbei um ein rein reaktives Verhalten von Krankenhäusern handelt.[21] Hierfür stehen dem Krankenhaus unterschiedliche Maßnahmen der Reorganisation, des Desinvestments und der Liquidation zur Verfügung. Zur Reorganisation zählen u. a. das Outsourcing von z. B. medizinnahen Bereichen (u. a. Radiologie und Labor),[22] die Zusammenlegung von Fachabteilungen, Personalabbau und Sachkosteneinsparungen.[23] Das Desinvestment umfasst u. a. den Verkauf einzelner Krankenhäuser an Wettbewerber und die Schließung unrentabler Fachbereiche. Als Beispiel sei hier auf die Malteser hingewiesen, die sich 2009 von ihren Krankenhäusern in Jülich und Hamm trennten.[24]Die Liquidation bezieht sich auf die Veräußerung des Unternehmensvermögens zum aktuellen Marktpreis. Krankenhäuser, die eine Defensivstrategie verfolgen, sind in ihrem Bestand gefährdet und benötigen umfangreiche externe Unterstützung.[25] Bruckenberger, der ehemalige Referatsleiter für Krankenhausplanung, -finanzierung und -bauplanung im Niedersächsischen Sozialministerium, gibt hierbei zu bedenken, dass die Schließung von Krankenhäusern ausschließlich dem Krankenhausträger obliegt. Eine Herausnahme des Krankenhauses aus dem Krankenhausplan kann nur durch die jeweiligen Planungsbehörden erfolgen und muss nicht einer Schließung gleichkommen. Hierbei entfällt aber das Recht auf eine Investitionskostenfinanzierung durch die Bundesländer, was in einer ohnehin wirtschaftlich schwierigen Lage eine zusätzliche Herausforderung darstellt. Wird darüber hinaus der Versorgungsvertrag der Krankenkassen mit dem Krankenhaus gekündigt, kommt dies faktisch einer Schließung gleich, da dann die Betriebskostenfinanzierung ausschließlich über Selbstzahler erfolgen muss. Bruckenberger vertieft hierzu, dass Bemühungen der Krankenkassen, Versorgungsverträge zu kündigen, bisher nur in einzelnen Fällen erfolgreich verlaufen sind.[26]Von daher ist die Defensivstrategie auch eine eher selten vorzufindende Strategieform. Von den Ordenskrankenhäusern sind es 2,7 % (was in der Stichprobe einer Einrichtung entspricht) die eine Defensivstrategie verfolgen.

 

 

  1. Schlussfolgerungen

Die vorangegangen Ausführungen haben gezeigt, dass Ordenskrankenhäuser in Deutschland auf Wachstumskurs sind. Dabei steht im Mittelpunkt des strategischen Managements insbesondere die Erschließung von ambulanten Wertschöpfungsstufen. Der Trend zur „Ambulantisierung“ wird damit seitens der Ordenskrankenhäuser maßgeblich zur Sicherung und Steigerung stationären Fallzahlen genutzt. Dass dieses Vorgehen behutsam gewählt werden will, zeigen die immer wieder auftretenden Proteste niedergelassener Ärzte beim Vorstoß stationärer Leistungserbringer in den ambulanten Bereich. Ungeachtet dessen handelt es sich hierbei um eine zwingend notwendige Strategie, die die Versorgungsqualität erhöht.[27]

Interessant ist im Gegenzug, dass die Integration von produktorientierten Wertschöpfungsstufen zur Herstellung von beispielsweise Blutpräparaten, Medikamenten oder Medizinprodukten so gut wie keine strategische Relevanz besitzt. Dies lässt sich u. a. damit begründen, dass diese Form der Strategie mit hohen Investitionskosten verbunden ist und die Produkte und Dienstleistungen von externen Herstellern und Dienstleistern angeboten werden. Genannt seien hier die verschiedenen Formen der Industriekooperationen, z. B. im Bereich Sterilgutversorgung und der Entwicklung von innovativen Medizinprodukten. Derartige Ansätze werden maßgeblich von der Industrie -nicht von den Krankenhäusern – getrieben.

Darüber hinaus zeigt sich auch eine deutliche Diskrepanz zwischen den Intensivierungs- und Diversifikationsstrategien. Hierbei wird deutlich, dass die Ordenskrankenhäuser auf bewährte Strukturen und Ressourcen setzen und auf Basis dieser verwandte Dienstleistungen und Kundengruppen erschließen. Damit zeigen sie ein risikoaverses Verhalten, das eine zukünftige Ausrichtung v. a. im „klassischen“ Krankenhausbereich sucht. Die Etablierung völlig neuer Dienstleistungen oder sogar die Diversifikation in andere Branchen wird vom überwiegenden Teil der Ordenskrankenhäuser als eine nicht verfolgenswerte Strategie angesehen. Hier sollten die Ordenskrankenhäuser mehr Mut zeigen und ihren stellenweise intensiven Kontakt zu den Zielkunden weiterausbauen, ggf. auch mit medizinfernen Dienstleistungen. Die Streuung des Unternehmensrisikos kann hierfür einen entscheidenden Vorteil darstellen. Auch lassen sich in diesen Bereichen aufgrund der marktwirtschaftlichen Ordnung höhere Renditen erzielen, die dem Kerngeschäft zugutekommen können.

 

 

Literaturverzeichnis

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[1] Vgl. eigene Erhebung aus dem Jahr 2009.

[2] Vgl. auch Schwegel (2011).

[3] Von den insgesamt 243 Krankenhäusern, die sich in Trägerschaft eines Ordens befinden, wurden 191 Krankenhausmanager[3]angeschrieben. Der Grund für dieses Vorgehen liegt daran, dass manche Krankenhausmanager mehrere Krankenhäuser führen. Für die Auswertung nutzbar waren schließlich 37 Fragebögen, so dass der Ausschöpfungsgrad bei 19 % liegt und damit einen in der sozialwissenschaftlichen Forschung durchaus üblichen Wert darstellt.

[4] Vgl. Statistisches Bundesamt (2008). Die Anzahl der Krankenhäuser bezieht sich auf das Jahr 2007.

[5] Vgl. Karlöf (1991), S. 124. Vgl. auch Henderson (1980), S. 22 zitiert nach Oetinger (2000), S. 15. „Strategie ist die langfristige, nicht unmittelbar erkennbare Führung eines Systems über längere Zeiträume.“

[6] Vgl. Porter (1999), Wettbewerbsvorteile, S. 51.

[7] Vgl. Reibnitz (1999), S. 18.

[8] Vgl. zur Eigenblutversorgung Mehrkens (1995), S. 228, Schörner/Renner (2001), S. 252ff.

[9] Vgl. Baumann (2008), S. 254ff. Vgl. zu Teleportal-Kliniken Eugen (2006), S. 557.

[10] Vgl. Morra (1996), S. 230.

[11] Bei der Steigerung der Erlöse ist die Anwendung des Mehrerlösausgleiches zu beachten, so dass durch Überschreitung des Krankenkassenbudgets durch das Krankenhaus die zusätzlichen Erlöse nicht im vollen Umfang vergütet werden. Vgl. Penter/Arnold (2009), S. 139.

[12] Vgl. Oberender/Schwegel/Da-Cruz (2009), S. 10ff.

[13] Vgl. David (2005), S. 163.

[14] Vgl. Baumann (2008), S. 261.

[15] Vgl. u. a. den Wellness- und Fitnessbereich „Cura Vital“ des Evangelischen Krankenhauses Holzminden. Schiekiera (2010), S. 31f.

[16] Vgl. David (2005), S. 171.

[17] Vgl. Baumann (2008), S. 261f.

[18] Beispielsweise sei hierbei auf die Diakonie Neuendettelsau mit dem International Dialog College and Research Institute verwiesen. Vgl. Diakonie Neuendettelsau (2010), S. 16. Zur strategischen Ausrichtung von Bildungseinrichtungen in der Gesundheits- und Sozialwirtschaft vgl. Oberender/Da-Cruz/Schwegel (2010).

[19] Vgl. Penter/Arnold (2009), S. 74. Penter/Arnold unterscheiden vier Grundstrategien: Fortsetzung, Optimierung, Sanierung und Sicherung. Die Ausführungen zur Optimierungsstrategie entsprechen inhaltlich denen der Stabilisierung.

[20] Vgl. Warnebier (2006), S. 139 und die dort angegebene Literatur. Warnebier orientiert sich hierbei an den Strategietypologien: Defender, Prospector, Analyzer und Reactor. Aufgrund der Eigenschaften der Analyzer treffen diese am ehesten auf die Stabilisierungsstrategie zu und werden daher übernommen.

[21] Vgl. Klein (2002), S. 251.

[22] Vgl. Jeschke/Hailer (1995), S. 347ff., 383ff., Frosch/Hartinger/Renner (2002), S. 237ff., Eiff/Vauth/Kordes (2010), S. 445ff und Da-Cruz (2010), S. 120ff.

[23] Vgl. u. a. die Zusammenlegung der drei diakonischen Krankenhäuser Alten Eichen, Elim und Bethanien in Hamburg. O.V. (2010), S. 8.

[24] Vgl. Werle (2010), S. 116.

[25] Vgl. Penter/Arnold (2009), S. 74. Dabei werden die Ausführungen von Penter/Arnold zur Sicherungsstrategie auf die Defensivstrategie übertragen.

[26] Bruckenberger (2000), S. 658ff. Bruckenberger ferner zur Schwierigkeit bei der Kündigung von Versorgungsverträgen: „Dies lag meist daran, dass die von den Krankenkassen vorgebrachten Argumente bezüglich eines nicht bestehenden Bedarfs, mangelnder Leistungsfähigkeit oder aber bestehender Unwirtschaftlichkeiten rechtlich nicht überzeugend genug waren.“ Bruckenberger, E. (2000), S. 660.

[27] Vgl. Schwegel/Da-Cruz/Oberender (2010), S. 30ff.

 

 

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Posted by Philipp Schwegel & Patrick Da-Cruz

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