Abstract [de]: Gerade in den USA finden sie sich, Hometown Associations, Verbindungen von Migrant_innen aus der selben Stadt, Gemeinde oder Region, die sich verbinden, um mit ihrer Herkunftsgemeinde in Verbindung zu bleiben und diese zu unterstützen. Dabei gibt es quasi keine Grenzen dieses Konzeptes, tausende solcher Vereinigungen gibt es in den USA.


September 2014

Hometown Associations

Gerade in den USA finden sie sich, Hometown Associations, Verbindungen von Migrant_innen aus der selben Stadt, Gemeinde oder Region, die sich verbinden, um mit ihrer Herkunftsgemeinde in Verbindung zu bleiben und diese zu unterstützen. Dabei gibt es quasi keine Grenzen dieses Konzeptes, tausende solcher Vereinigungen gibt es in den USA. Und auch wenn hier nun Beispiele zu Lateinamerika folgen, gibt es solche Hometown Associations auch für asiatische Länder wie die Philippinen oder afrikanische Länder wie Ghana. Zumeist ist dabei der Herkunftskontext klein, es ist keine Verbindung von Kolumbianer_innen oder auch nur Mexikaner_innen aus der Hauptstadtregion. Vielmehr sind es Verbindungen von Migrant_innen aus einem Stadtteil oder einer kleinen ländlichen Gemeinde. Durch und über diese sollen soziale, ökonomische und kulturelle Herausforderungen in der Herkunftsgemeinde angegangen werden. Zugleich aber sind diese Verbindungen eine Art feste und stetige Vernetzung mit dem Herkunftsort, letztlich eine Verstetigung und Institutionalisierung von transnationaler zivilgesellschaftlicher Vernetzung. Denn dies ist herauszuheben: Auch wenn teilweise mit der lokalen Verwaltung oder Regierung zusammen gewirkt wird, so sind die Akteur_innen der Hometown Associations doch zivilgesellschaftliche Akteur_innen und ihre Projekte zivilgesellschaftliche. Darüber hinaus gibt es durchaus auch Verbindungen oder Austausch zwischen Hometwon AssociationsHometown Associations sind damit ein Rahmen, eine Vernetzungsmöglichkeit im Sinne Globaler Zivilgesellschaft.

Solche Verbindungen sind keineswegs als Zeichen einer schlechten Integration zu sehen oder als Zeichen des mangelnden Interesses am neuen Umfeld. Vielmehr leitet sie die Erkenntnis, dass der Weg, der sonst häufig gegangen wird, Migration auch für andere profitabel zu machen, Überweisungen, insbesondere an die Familie in der Heimatgemeinde, nur wenige ausgewählte profitieren lässt. Das Wirken von Hometown Associations versucht deutlicher Breite und Gemeinwohl zu erreichen, durch die Bündelung der Mittel von Migrant_innen und konzentrierte kleinere und größere Projekte. Letztlich soll so auch eine verbesserte lokale Entwicklung stattfinden können. Durchaus wird in diesem Kontext Migration als Ermöglichung verstanden, dass folgende Generationen oder andere Familien Migration nicht mehr notwendig haben werden. Das Engagement kann helfen Kredite zu erhalten oder Versicherungen zu ermöglichen, aber auch größere Projekte anzugehen.

Hometown Associations erhalten zunehmende Beachtung

Solchartiges transnationales zivilgesellschaftliches Engagement erhält auch zunehmende Beachtung von anderen nicht-staatlichen, aber auch staatlichen Akteur_innen. In Mexiko wurde Ende der 1990er Jahre zur Förderung solchen Engagements das Programm Tres-por-Uno gestartet. Jeder Dollar der für Entwicklungsmaßnahmen zivilgesellschaftlich überwiesen wird, also durch Hometown Associations, wird mit je einem Dollar der lokalen, der regionalen und der Bundesregierung erhöht. So konnten beispielsweise im Ort Atacheo de Regalado im Bundesstaat Michoacán diverse Projekte umgesetzt werden, von einem Gewächshaus für den Gemüse- und Blumenexport bis zu einer Lautsprecherfabrik. Wenige Migrant_innen ermöglichten mit ihren verdreifachten Beiträgen diese regionale Entwicklung. Doch selten bleibt es bei den Geldern der Hometown Associations bei den Beiträgen der freiwillig organisierten Migrant_innen. Vielmehr gehört zu den Hauptaufgaben der Hometown Associations das Fundraising. Nur so können wenige Migrant_innen auch höhere Gelder bereit stellen. Dieses ist zugleich wieder eine Verbindung in die neue Gemeinde. Sportveranstaltungen, Konzerte oder Kochevents werden für das Fundraising eingesetzt, generell mit einem klaren Projektziel. Dabei wird die lokale Herkunftskultur durchaus zentral gesetzt. Auf diese Weise vernetzt sich nicht nur die Herkunftsgemeinde weiterhin mit „ihren“ Migrant_innen, sondern über diese auch in neue Gemeinden und Gebiete. Zugleich ist dies wieder ein Ausweis aber auch eine deutliche Präsentation und Darstellung einer neuen transnationalen Identität der Migrant_innen wie ihrer Zusammen- und multiplen Zugehörigkeit. Im Rahmen solcher öffentlicher Veranstaltungen geht es nicht nur um Fundraising, auch Bewusstseinsschaffung und Informierung stehen dahinter. Lokale Probleme der Herkunftsgemeinden sollen bewusst werden, teilweise auch medial verbreitet. Gerade in Momenten besonderer Not, so bei Naturkatastrophen, sind zivilgesellschaftliche Spenden und Aktivitäten zentral – aber auch Aufmerksamkeit gut zu erreichen.

Doch lokale Entwicklung soll nicht nur durch Schulen und Aufmerksamkeit erreicht werden. Ein weiterer und durchaus zentraler Weg ist die Förderung lokaler Wirtschaft und deren Vernetzung und Einbindung. Dabei sind nicht nur die Migrant_innen ein Markt für Unternehmen aus deren Herkunftsländern; dies ist bedeutend, viele Firmen, gerade Lebensmittel- oder Medienunternehmen haben sich so einen neuen Markt erschlossen. Vielmehr können die beschriebenen Verbindungen auch neue Märkte für lokale Produkte über Migrant_innen hinaus öffnen. Nicht nur aus Zufall wird häufig, wie am Beispiel aus Michoacán deutlich, nicht nur der Bau von Schulen oder Krankenversorgungsstationen befördert, sondern auch lokaler Produktion. Silberschmuck kann dabei genauso einen neuen Markt finden wie landwirtschaftliche Produkte. Gerade initial kann der Vertrieb über Mitwirkende einer Hometown Association Türen öffnen, Märkte erschließen. Dabei geht es nicht darum riesige neue Märkte zu erreichen, aber doch lokale Entwicklung durch den Export von Produkten zu fördern. In diesem Kontext sind Zölle und andere Schranken zu beachten, die jedoch im Rahmen des Beispiels USA-Mexiko auf Grund des NAFTA keine größere Rolle spielen und auch sonst real oft umgangen werden.

Hometown Associations werden auch von größeren Akteur_innen in den Fokus genommen

Auf Grund ihrer Dynamik und lokalen Einbindung werden Hometown Associations auch von größeren Akteur_innen von Entwicklungsmaßnahmen, so NGOs oder auch Regierungsorganisationen wie USAID, in den Fokus genommen. Immer wieder werden dabei mangelnde Verwaltung oder ineffiziente Strukturen kritisiert. Tatsächlich wird zumeist mit geringen Jahresbeträgen und zeitlich „nebenher“ agiert; dies wird jedoch oft durch diverse lokale Vernetzungen wett gemacht. Dies gilt, gerade wenn berücksichtigt wird, dass so viele Gemeinden unterstützt werden, die sonst gar keine oder viel weniger Mittel und Aufmerksamkeit erhielten. So sind Hometown Associations nicht die besseren Entwicklungsakteur_innen oder stets die Rettung kleinerer Gemeinden, aber sie bieten doch ein enormes Potential. Dieses Potential ist durchaus ein marktwirtschaftliches. Zentraler aber noch ist die kulturelle Vernetzung. Denn auch die lokalen Produkte sind kulturelle Boten in neuen Märkten, insbesondere da sie mindestens zunächst generell als regionale Produkte Verbreitung finden, als Symbol und Sinnbild einer Gemeinde. Darüber hinaus ermöglicht eine solche Vernetzung es Migrant_innen Kontakte in ihrer Herkunftsregion breit zu belassen, diese nicht nur auf ihre Familie zu beschränken, und sich zugleich doch auch in ihrer neuen Heimatgemeinde zu zeigen und zu engagieren. Gerade für die lokale Integration ist zivilgesellschaftliches Engagement zentral; dieses wird so gezeigt und doch auch auf eigene Weise interpretiert.

Damit sind Hometown Associations zentrale Standbeine einer Globalen Zivilgesellschaft, ausgehend von Migration und doch darüber hinausgehend. Global sind sie schon durch ihre Vernetzung auch untereinander und häufig ähnlichen Herausforderungen. Sie stehen zentral für die Möglichkeit sich zivilgesellschaftlich auch über Distanzen einzubringen und zugleich für die Bereitschaft von Regierungen und anderen Entwicklungsakteur_innen dieses Engagement positiv auszudeuten und zu unterstützen. Globale Zivilgesellschaft macht so einen Unterschied, lokal fokussiert aber über lokale und breitere Bewusstmachungen auch in einem deutlich größeren Rahmen. Und selbst jene, die nicht in einer solchen Organisation aktiv sind, können sich Projekten anschließen, so Kontakte suchen und sich temporär einbringen. Der Rahmen, den solche Vereinigungen dabei bieten, ist zugleich Stabilität und Orientierung und ermöglicht doch unterschiedliche Grade und Maße an Vernetzung und Engagement, stets jedoch das Aktivwerden einer und über eine Globale Zivilgesellschaft.

Informationen zu Hometwon Associations finden sich vor allem im Internet:

Eine Einführung zu Hometown Assoiciations bietet etwa die International Diaspora Engagement Alliance: http://diasporaalliance.org/hometown-associations/

Näheres und statistische Daten hierzu gibt es vom Migration Policy Institute: http://www.migrationpolicy.org/article/migrant-hometown-associations-and-opportunities-development-global-perspective

Sonst gibt es zu spezifischen Ländern jeweils spezifische Seiten, zu Mexiko beispielsweise etwas von der Inter-American Foundation: https://www.federalregister.gov/agencies/inter-american-foundation

Aber auch spezifische Artikel zum Thema finden sich, wie:

Orozco, Manuel; Garcia-Zanello, Eugenia: Hometwon Associations: Transnationalism, Philanthropy, and Development, in: Brown Journal of World Affairs (XV – II, 2009), S. 01 – 17.

Und auch in Büchern wird das Phänomen beschrieben, so in:

Legrain, Philippe: Immigrants. Your country needs them, London: Abacus 2009, S. 167 – 173.

Posted by Mario Faust-Scalisi

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