Abstract [en]

The tragic fate of refugees in the Mediterranean Sea and the repeating discussion about migrants coming to Europe have ever been present in the last couple of months. Indeed there has hardly been a topic that present and much discussed in politics and the public discourse. Still this is no new topic in development. The integration and care for refugees, migrants and asylum seekers has been a task and point of discussion for decades. But looking at the past society might find solutions to actual problems. The direction to take would be a change of status for skilled asylum seekers.

Abstract [de]

Kaum ein Thema hat die europäische Politik und Öffentlichkeit in den vergangenen Monaten so bewegt wie die Tragödien und Schicksale der Flüchtlinge auf dem Mittelmeer. Jedoch handelt es sich keinesfalls um eine neue Materie, auch für Deutschland nicht. Die Diskussion um Flüchtlinge, Migranten und Asylanten und deren Integration beschäftigt die Gesellschaft seit Jahrzehnten und wirft stets neue Fragen auf. Die Vergangenheit bietet uns dabei durchaus aus Perspektiven zur Lösung an. Ein Schritt in die richtige Richtung wäre eine Aufenthaltserlaubnis mit Statuswechsel für Asylbewerber mit Ausbildung oder Arbeit.

Mai 2015

Migration, Einwanderung, Flüchtlinge – Wie gehen wir damit um und was müssen wir ändern?

get pdf: Migration, Einwanderung, Flüchtlinge

Seit einigen Monaten wird unsere Aufmerksamkeit medial immer wieder auf das Thema Migranten, Einwanderer und Flüchtlinge gelenkt. Seien es die zahlreichen Tragödien im Mittelmeer, zuletzt der Tod von 700 Flüchtlingen aus Libyen, oder seien es die erschreckenden Aussagen unterschiedlicher Politiker und Bewegungen wie der Pegida in Deutschland oder der Wahlkampfparolen in Großbritannien und die dramatischen Ereignisse um die Migranten und Flüchtlinge werden unter dem einen Begriff „Einwanderungsproblematik“ abgehandelt.

So wird gegenwärtig in Rahmen des britischen Wahlkampfes über eine Einschränkung der Netto-Zuwanderung, sowie eine Aufweichung der Arbeitgeberfreizügigkeit in Europa diskutiert. Die  kritischen Stimmen aus Großbritannien beziehen sich dabei freilich auf die Einwanderer aus östlichen EU-Staaten oder Flüchtlinge aus afrikanischen und nahöstlichen Herkunftsländern. Schließlich haben viele der Wahlberechtigten im Vereinigen Königreich Wurzeln in Pakistan oder Bangladesch. An dieser Stelle wird  ein Grund deutlich, aus dem Migration ein so heißes Eisen ist: das Thema Einwanderung ist  immer von von allen Seiten hochgradig emotional besetzt.

Besonders im Wahlkampf kann und wird es daher fast manipulativ eingesetzt. Doch ist dieses Thema zu komplex, die betroffenen Gruppen zu heterogen um vereinfachend von „den Flüchtlingen“, den „Migranten“ oder „den Einwanderern“ zu sprechen. Die Beweggründe sind ebenso unterschiedlich und vielschichtig wie die Lebensgeschichten und kulturellen Hintergründe dieser Menschen. Es wäre also bereits sprachlich eine deutlichere Differenzierung von Nöten. Handelt es sich um Flüchtlinge, die ihr Leben beim Überqueren des Mittelmeeres riskieren um sich und ihrer Familie eine gesicherte und freie Zukunft zu bieten? Oder handelt es sich um Migranten, die ihre Familie in ihrer Heimat zurücklassen, um eine finanziell solide Grundlage für diese zu schaffen? Diese unterschiedlichen Beweggründe, Voraussetzungen und Schicksale werden gerade von der Politik sprachlich als homogene Einheit behandelt und dabei geht der entscheidenden Aspekt aus den Augen verloren: nämlich der menschliche. 

Die Mehrzahl der Migranten und Einwanderer entscheiden sich bewusst dafür, ihr Heimatland zu verlassen um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Jedoch steigt die Zahl derer, die flüchten müssen, die ihr Leben und das ihrer Familie retten wollen. Diese beiden sehr unterschiedlichen Gruppen stoßen auf ein und dasselbe Problem: Europa verfügt nicht über eine konkret ausformulierte Einwanderungspolitik. Es fehlt ein klares Konzept, das eine Einwanderung nach festen Gesichtspunkten ermöglichen würde und eine legale Einwanderung durchsichtig und transparent macht.

In Deutschland ist das Bleiberecht für illegal Eingereiste (auch wenn diese ein Asyl- oder Bleiberecht bei Verwandten haben) auf 20.000 Menschen pro Jahr begrenzt. Eine mehr als bescheidende Zahl, berücksichtigt man die wachsende Anzahl der Flüchtlinge und die der globalen Krisenherde. Warum aber bietet Deutschland, bietet Europa Migranten jeder Art so wenige Möglichkeiten zur rechtmäßigen Einreise? Gerade in Deutschland war das Thema stets unpopulär, wurde eher als Belastung betrachtet. Die südeuropäischen Arbeitsemigranten der 60er und 70er Jahre waren lediglich über einen begrenzten Zeitraum willkommen. Keine Vokabel macht dieses Sachverhalt klarer, als die Bezeichnung „Gastarbeiter“, denn „Dreitägiger Gast ist jedermann zur Last.“ Es war demnach nie geplant oder gewollt, dass diese Menschen sich dauerhaft in Deutschland niederlassen könnten oder wollten. Dass sie ihrer Familie in dieses schöne Land nachholen könnten oder gar eine Familie mit einem deutschen Partner gründen. Auch hier wurde der menschliche Faktor auf politischer und gesellschaftlicher Ebene ausgeklammert.

Gelernt hat Deutschland aus dieser Entwicklung offensichtlich noch nicht, oder zumindest nicht genug. Noch im Jahr 2000 skandierte Jürgen Rüttgers „Kinder statt Inder“. Und auch heute tut sich Deutschland schwer mit dem Thema Einwanderung. Es gibt ein Regelwerk bezüglich Flüchtlinge, das Recht auf Asyl ist in unserem Grundgesetz verankert – und doch sind die Migrations-Bedingungen schwer durchschaubar, auch für viele Deutsche schwer verständlich. Zwar gibt es Konzepte, wie seit 2012 die sogenannte „Blaue Karte“ für Akademikern aus Drittstaaten, jedoch wurde diese seit Einführung gerade von 9.665 Menschen in Anspruch genommen. Ausländischen Studenten ergeht es selten besser, treffen sie doch auf zahlreiche Hindernisse. So müssen Uni-Bewerber ihre Unibewerbung drei Monate vor Studienbeginn vorlegen, der Visumprozess kann jedoch (abhängig vom Herkunftsland der Studenten) durchaus bis zu fünf Monate dauern. Bei Fragen oder Problemen können sich die Migranten selten an deutsche Behörden wenden: die Mitarbeiter sprechen selten oder kaum Englisch.

Nun wird ein Umdenken dringend nötig. Hinsichtlich der wachsenden Zahl an Menschen, die aus unerträglichen Bedingungen fliehen und auch um unser selbst Willen: der fortschreitende demographische Wandel bedroht Deutschlands Wohlstand und wirtschaftliche Stabilität. Die OECD geht mittlerweile davon aus, dass Deutschland jährlich um die 400.000 ausländische Arbeitskräfte einstellen muss, um die gegenwärtige Wirtschaftskraft aufrechtzuerhalten. Dass  Maßnahmen jetzt bereits dringend nötig sind, wurde im Jahr 2014 in Bayern klar, da dort an die 10.000 Lehrstellen unbesetzt blieben. Die zuständige Handwerkskammer besetzte diese teilweise mit jungen Asylbewerbern. Eine sehr löbliche und doch schwierige Maßnahme: ob die jungen Migranten ihren Betrieben tatsächlich bis zum Ende ihrer Ausbildung erhalten bleiben oder Deutschland wieder verlassen müssen, bleibt unsicher. Arbeitsmigration und Asyl sind nach deutschem Recht getrennt und genau diese Tatsache ist nicht mehr zeitgemäß. Es ist nötig beide Bereiche durch ein Gesetz zusammenzuführen, auch um es den helfenden Kräften in Deutschland zu erleichtern, für diese Menschen aktiv zu werden und Initiativen zu starten, die dauerhaften und nachhaltigen Erfolg gewähren können.

Deutschland und Europa ignoriert das Potential, das viele talentierte und gut ausgebildete Migranten und Flüchtlinge bieten. Als Folge zieht es hochqualifizierte Migranten auf legalem Wege auch nur selten nach Deutschland. Zu hoch und zu un durchschaubar sind die bürokratischen Hürden. Die positiven Anreize sind gering, oder aber andere europäische Länder bieten für diese Menschen durchweg positivere Anreize. So lockt Schweden ausländische Ärzte u.a. mit überschaubaren Stundenzahlen und bezahlten Überstunden. Hans-Werner Sinn kritisiert, dass nach Deutschland vor allem vom Staat subventionierte Billiglöhner rekrutiert würden, was kostenintensiv sei und schließlich auch zu sozialen Spannungen führe.

Die Zeit drängt. Im Jahr 2050 wird die Zahl der erwerbsfähigen Deutschen von aktuell 45 Millionen auf 29 Millionen absinken. Grund ist das beginnende Rentenalter der Geburtenstarken Babyboomer-Generation. Schließlich leidet ganz Europa unter der schrumpfenden Bevölkerung. Sobald sich die wirtschaftliche Lage der gegenwärtigen europäischen Krisenländer erholt, wird für diese Europäer schließlich auch der Anreiz sinken, die eigene Heimat zu verlassen um in Deutschland zu arbeiten.

Aus der Vergangenheit und der Gegenwart müssen wir lernen und unsere Lehren ziehen. Es gibt positive Beispiele, auch aus der Generation der Gastarbeiter. Die ehemaligen spanischen Gastarbeiter haben sich schon in den 60er und 70er Jahren positiv hervorgetan. Diese kamen einerseits um in Deutschland zu arbeiten aber oftmals suchten diese auch nach einer Möglichkeit frei von Unterdrückung durch ein faschistisches Regime zu leben. Die wenigsten verfügten damals über eine Schul-oder Berufsausbildung. Trotzdem stiegen sie schneller auf als andere Einwanderergruppen der ersten Gastarbeitergeneration. Diese Entwicklung setzte sich auch bei der zweiten Generation fort: der Anteil der spanischen Kinder auf weiterführenden Schulen in Deutschland lag noch im Jahr 2000 bei über 35% und damit höher als der von Griechen (ca. 30%), Türken (ca. 22%) oder Italienern (ca. 20%). Ein Grund dafür war sicher die Aktivität der spanisch-deutschen Elternvereine, die sich seit den 70er Jahren gründeten und bundesweit aktiv wurden. Diese haben sich aktiv über das undurchsichtige deutsche Bildungssystem informiert und aktiv dafür eingesetzt, dass ihre Kinder mit den deutschen Schülern zusammen unterrichtet würden und nicht in gesonderte Klassen kamen oder direkt in Hauptschulen kamen. Aktive Integration und Zusammenarbeit haben sich damit langfristig ausgezahlt. 

Das Thema der Einwanderung und Migration wurde und wird in breiten Teilen der Gesellschaft und Politik aus einem vereinfachten Blickwinkel betrachtet. Auch sprachlich findet keine ausreichende Auseinandersetzung mit der Komplexität dieses Themas statt. Dabei können wir aus den vergangenen Entwicklungen, aus den positiven und negativen Prozessen, lernen wenn wir uns diesen bewusst stellen.

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Posted by Ana-Isabel König-Graziano

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