Rezension von Max Niehoff über:

Fisch, Andreas (Hrsg.): Gut wirtschaften. Erzbischof Hans-Josef Becker zur Verantwortung von Unternehmern, Paderborn: Bonifatius GmbH 2018, 111 S., ISBN 978-3-89710-769-4 (9,90 €).


Mai 2020

Rezension: Gut Wirtschaften. Erzbischof Hans-Josef Becker zur Verantwortung von Unternehmern (Andreas Fisch, Hrsg.)

Becker

„…und mit der Kraft des Heiligen Geistes werden wir die Erde verändern.“ Mit dieser Zeile endet das Oratorium ADAM – Die Suche nach dem Menschen von Gregor Linßen. Auf die Suche nach dem Menschen begibt sich auch der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker – nach dem Menschen und dem Menschlichen in der Wirtschaft. Ort der Suche sind seine Reden auf den Unternehmertagen „erfolgreich nachhaltig“ der Kommende Dortmund, dem Sozialinstitut seiner Diözese. Und auch er findet den Menschen, genauer Führungskräfte, die „aus christlichem Geist heraus“ (64) ihre Aufgabe in der Wirtschaft gestalten. Sie leben Werte, „die oft auch ihren Glauben an den gerechten und menschenfreundlichen Gott wiederspiegeln.“ (46)

Dr. Andreas Fisch Referent für Wirtschaftsethik sowie Kirchliche Dienstgeber/innen an der Kommende hat acht dieser Reden aus den Jahren 2011 bis 2018 zusammengestellt und mit einem Geleitwort versehen. Diese Hinführung weckt Neugierde: Sie stellt den Erzbischof als Hörenden vor und seine Reden entsprechend als Impulse für Gespräche. Sie sind nicht ortlos, sondern sprechen in aktuelle Fragen hinein und reflektieren, was Unternehmerinnen und Unternehmer konkret bewegt. Klassisch ordnungspolitisch verortet steht bei Erzbischof Becker der Mensch im Mittelpunkt: als unternehmerischer „Pionier“ (33), als Gestalter der Rahmenordnung und nicht zuletzt als in vielfältiger Weise Betroffener. Parallel ziehen sich inhaltlich zwei Themenstränge durch die Reden hindurch: Ökologie und Nachhaltigkeit sowie Armut und Benachteiligung.

Die den ersten Teil bildende, programmatische Rede „Ethos in der Wirtschaft“ wirft historische Schlaglichter auf die Mehrdimensionalität des Menschen in der Wirtschaft. Sie eröffnet die grundsätzliche, bisweilen etwas holzschnittartige Spannung des Unternehmers wie des Konsumenten zwischen Gemeinwohl- und Gewinnorientierung. Becker reflektiert kirchliche Positionen zum Umgang mit Sklaven – von der Mahnung zur guten Behandlung bis hin zum Kampf für die grundsätzliche Abschaffung der Sklaverei, was auch für die Kirche ein selbstkritischer Lernprozess war. Davon ausgehend blickt er auf gegenwärtige Herausforderungen. Dabei betont er die Bedeutung institutionalisierter Rahmenbedingungen für das Gemeinwohl, beispielhaft der Sozialen Marktwirtschaft. Im gleichen Atemzug benennt er die Notwendigkeit von unternehmerischen Pionieren, die neue Wege bahnen und der Wirtschaft wie der Rahmenordnung positive Impulse geben.

Die Wertschätzung und Ermutigung Beckers für den Menschen als wirtschaftlichen Akteur und Pionier kommt vor allem im zweiten Teil, „Zur wertorientierten Unternehmensführung“ zum Ausdruck. Er stellt die Gemeinwohlorientierung als Sinnhorizont für Unternehmer vor und überlegt, was das im Hinblick auf benachteiligte Menschen und die Ökologie heißen kann. Er betont ferner das Sehen als Grundlage des Urteilens und Handelns, etwa wenn er den Blick auf komplexe Verantwortlichkeiten in Produktionsprozessen richtet, an deren Ende „Menschen tatsächlich sterben.“ (41). Auch andere gesellschaftliche Herausforderungen wie die Integration Älterer und Geflüchteter gelingen aus seiner Sicht nur mit, nicht gegen oder ohne die Unternehmen. Schließlich stellt er das christliche Motiv des Guten Hirten vor und fragt, was es für ihn als Bischof und vor allem für Führungskräfte in der Wirtschaft heißen kann.

Die Rahmenordnung steht im dritten und letzten Teil „Konkretionen: Globale Verantwortung, Finanzpolitik, Energiepolitik“ stärker im Fokus. Bei aller Wertschätzung für Unternehmer sieht er zugleich auch den Staat in der Pflicht, gerade angesichts der „Schattenseiten“ (73) der Wirtschaft in Nah und Fern. Er zeigt die positiven Möglichkeiten einer redlichen Finanzpolitik auf, die „im Dienst der Gesellschaft und ihrer Realwirtschaft“ (77) steht. Die ökologisch verpflichtete soziale Marktwirtschaft bildet für Becker das Zielbild in aktuellen Debatten der Energiepolitik, in denen es auch um Gerechtigkeitsfragen geht. Den – wohl nur vorläufigen – Abschluss der Gedanken bildet eine nochmalige Betrachtung der Spannung zwischen lokaler und globaler Wirklichkeit. Becker ermutigt hier zur Übernahme von Verantwortung, zur – auch weltpolitischen – Voranstellung des Gemeinsamen und zum Einnehmen einer langfristigen Perspektive.

„… werden wir die Erde verändern.“ Erzbischof Becker findet diese Menschen, nicht zuletzt in seinen Zuhörern. Der Natur der Reden, aber auch der Gewinn des Büchleins ist, dass Unternehmerinnen und Unternehmer direkt angesprochen werden. Becker gelingt dabei ein mehrfacher Spagat zwischen persönlichen, betriebswirtschaftlichen und strukturellen Fragen, christlichen und säkular-anschlussfähigen Ansichten sowie abstrakten Gedanken und konkreter Darstellung. Die Reden dokumentieren einen kirchlichen Gesprächsimpuls zu aktuellen Fragen der Unternehmensführung und Wirtschaftsgestaltung. 

Sympathisch sind persönliche Einfärbungen des Erzbischofs in den Reden. Umso bedauerlicher ist, dass er seine Rolle als Dienstgeber von letztlich über 50.000 Menschen nicht expliziter reflektiert. Er belässt es bei Andeutungen wie dem Vorbild des guten Hirten (56-64) und Hinweisen, wie er sei „mit Ihnen [den Unternehmern; MN] auf dem Weg“ (33). Gerade aufgrund der direkten Ansprache der Teilnehmer ist das ein großes Desiderat. Weitere Desiderate bilden die kreative Aufnahme gegenwärtiger Entwicklungen wie die der Digitalisierung. Es bleibt abzuwarten, ob einer der nächsten Unternehmertage dem nachgeht. Die bisherigen Reden versprechen jedenfalls, dass auch diese Themen klug, reflektiert und nicht zuletzt anregend aufbereitet werden.


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Posted by Max Niehoff